Schauerromantik im November

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Zu einem gemeinsamen Theaterbesuch versammelte sich am Abend des 8. November alle Schüler und Schülerinnen der  Q1 im Mollerhaus in Darmstadt mit ihren Deutsch-Lehrern und Lehrerinnen. Gezeigt wurde “Der Sandmann” nach der Erzählung von E.T.A. Hoffmann, welcher zum vepflichtenden Lektüre-Kanon der Obestufe zählt. Freundlicherweise bot die Theater INC. Factory, die seit Jahren fester Bestandteil der […]

Zu einem gemeinsamen Theaterbesuch versammelte sich am Abend des 8. November alle Schüler und Schülerinnen der  Q1 im Mollerhaus in Darmstadt mit ihren Deutsch-Lehrern und Lehrerinnen. Gezeigt wurde “Der Sandmann” nach der Erzählung von E.T.A. Hoffmann, welcher zum vepflichtenden Lektüre-Kanon der Obestufe zählt. Freundlicherweise bot die Theater INC. Factory, die seit Jahren fester Bestandteil der freien Theaterszene ist, eine Sondervorstellung für die Viko. Die Eindrücke des Abends wurden teilweise direkt im Anschluss kontrovers dirskutiert und finden ihren Widerhall in Rezensionen des Deutsch-LKs .

C.Troeger

„Der Sandmann“ im Darmstädter Mollerhaus – Theaterstück oder Vorlesung?

Das im Jahre 1816 von ETA Hoffmann veröffentlichte Werk “Der Sandmann” ist eine romantische Erzählung, die die Geschichte des Studenten Nathanaels erzählt. Nathanael wird von traumatischen Kindheitserlebnissen, insbesondere der Begegnung mit dem mysteriösen Sandmann, verfolgt. Dennoch führt er zunächst ein normales Studentenleben und unterhält eine Fernbeziehung mit seiner Freundin Clara. Als er sich jedoch eines Tages in die Professorentochter Olimpia verliebt, die sich als Automat herausstellt, verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Wahnsinn, und Nathanael glaubt, dass der Sandmann erneut in sein Leben getreten sei. Hoffmann lässt den Leser mit zahlreichen Fragezeichen zurück, die Raum für eine breite Interpretation bieten.

Um Antworten zu finden, empfiehlt sich ein Theaterbesuch. Idealerweise kann man dort die fesselnde individuelle Deutung des jeweiligen Regisseurs verfolgen. Leider entspricht die Darmstädter Inszenierung nicht diesem Idealfall. Personen, die das Buch nicht gelesen haben und nach einer visuellen Zusammenfassung suchen, sind dort möglicherweise richtig, jedoch nicht Leser:innen auf der Suche nach tieferen Antworten, denn im Mollerhaus werden sie nicht fündig.

Die lediglich drei Schauspieler:innen auf der Bühne lassen die Zuschauer:innen zu Beginn noch hoffen. Als Olimpia und Clara von derselben Schauspielerin gespielt werden, stellt sich die Frage nach einer Parallele oder gar einer Überschneidung zwischen den beiden Figuren. An diesem Punkt hat man sich bereits intensiver mit der Interpretation einer Stelle im Sandmann auseinandergesetzt als der Regisseur im gesamten Stück. Die einheitlichen schwarzen Kostüme, das schlichte Bühnenbild und die spärlichen Requisiten lassen vermuten, dass der Regisseur sich schlichtweg nicht an eine klare Interpretation herangetraut hat. Obwohl gelegentlich Deutungsansätze auftauchen, wie zum Beispiel Olimpia als Projektionsfläche Nathanaels mit dem Ausspruch “Du bist so leer, ich kann dich füllen”, sind diese schwer vernehmbar und keineswegs konsequent umgesetzt. Die Texte der Schauspieler:innen orientieren sich sehr eng an der Lektüre, oft sogar direkt darausentnommen. Dies würde kaum ein Problem darstellen, wenn das Stück zumindest den Wahnsinn vermitteln würde, der das gesamte Buch durchzieht. Doch davon fehlt jede Spur. Wie in einer Vorlesung erhalten die Zuschauer:innen die Handlung präsentiert. Mag sein, dass alle wichtigen Ereignisse der Lektüre abgedeckt wurden, und das bemerkenswerterweise mit nur drei Schauspieler:innen, dennoch hätte die Umsetzung kaum weniger originell sein können. Als dann die Hauptfigur Nathanael plötzlich auf Englisch zu singen beginnt, wirkt die Sprachwahl wie ein Fremdkörper. Die Lautstärke im Kontrast zu den vorwiegend leise sprechenden Schauspieler:innen ist völlig unerwartet. Die Reaktion des Publikums: eher verhalten. Leider muss ich mich diesem Urteil anschließen. Während die schauspielerische Leistung des Darstellers von Nathanael lobenswert ist, hat mich das Stück insgesamt wenig beeindruckt. Meine Erwartungen an eine originelle Umsetzung der “Sandmann”-Inszenierung mit fesselnden Regieeinfällen wurden nicht erfüllt. Persönlich würde ich bei einem Besuch im Mollerhaus dieses Stück auslassen; eine Vorlesung in Darmstadt wäre wohl eine naheliegende, preiswertere Alternative.

Mia Straube (Q1)